Space Weather Jahreszusammenfassung
Flares / Sonneneruptionen:
Flares (Sonneneruptionen) sind extreme Strahlungsausbrüche auf der Sonnenoberfläche, die meist als Folge magnetischer Kurzschlüsse im Bereich größerer magnetisch komplexer Sonnenfleckengruppen auftreten. Flares strahlen im gesamten elektromagnetischen Spektrum. Häufig werden sie nach zwei Kriterien klassifiziert, zum einen nach der Flächenausdehnung während ihrer maximalen Intensität in der Emissionslinie des neutralen atomaren Wasserstoffs (Klassen 1, 2, 3, 4 mit Helligkeitsunterklassen F, N, B), zum anderen nach der maximalen Strahlungsleistung der Röntgenstrahlung im Wellenlängenbereich 0,1-0,8nm, gemessen am Oberrand der Erdatmosphäre (Klassen B, C, M, X).
Wertet man nach Röntgenklassen aus, so kann man für das Jahr 2016 insgesamt nur 337 Flares der Klasse C oder höher (Strahlungsleistung > 0,000001W/m²) eintragen (z.Vgl. 2015: 1504). Das ist ein deutlicher Rückgang im Vergleich zum Vorjahr und der niedrigste Wert seit dem Jahr 2010. Damit wird jetzt auch anhand der Zahl der Sonneneruptionen augenscheinlich, dass wir uns bereits in einem fortgeschrittenen Stadium der abklingenden Phase des aktuellen Sonnenfleckenzyklus befinden. Diese Phase wird vermutlich noch einige Jahre andauern, ehe möglicherweise zwischen Ende 2019 und Anfang 2021 in etwa das Fleckenminimum erwartet werden kann. Der aktivste Monat im Jahr 2016 war noch der Februar mit immerhin 106 Flares. Im Gegensatz dazu gab es aber gleich vier Monate, in denen die Zahl an Sonneneruptionen einstellig blieb, Juni mit 6, September mit 9, Oktober mit nur 4 und Dezember mit 5 Flares. Auch Flares ab der Klasse M (Strahlungsleistung > 0,00001W/m²) waren 2016 eine Rarität, lediglich 16 mal konnte der Schwellwert hierfür überschritten werden (2015: 127), so selten wie seit dem Jahr 2009 nicht mehr. Und X-Klasse-Flares (Strahlungsleistung > 0,0001W/m²) blieben gleich ganz aus (2015: 2), was zuletzt im Jahr 2010 passiert ist.
Protonen-Events:
Als Protonen-Event bezeichnet man das Eintreffen einer signifikanten Menge hochenergetischer Protonen, die mit großer Geschwindigkeit von der Sonne abgegeben werden und in der Folge das Sonnensystem rasend schnell durchqueren. Als Verursacher für solche Ereignisse kommen zum einen intensive Sonneneruptionen in Frage, eine erhebliche Anzahl starker Protonen-Events dürfte aber vor allem auf die beschleunigende Wirkung von Schockfronten expandierender CMEs (Koronaler Massenauswürfe) mit Schockstruktur zurückzuführen sein. Klassifiziert werden Protonen-Events nach ihrer Raumdurchflussstärke, die am Oberrand der Erdatmosphäre gemessen wird, wobei für die NOAA Sturmkategorien speziell Protonen mit Energiebeträgen über 10MeV in die Bewertung einfließen.
Im Jahr 2016 wurde nach dieser Definition nur 1 Protonen-Event aufgezeichnet (z.Vgl. 2015: 4), der dann auch nur die unterste Klasse S1 (Raumdurchflussstärke > 10p/srcm²s) erreichte. Eine so geringe Aktivität konnte zuletzt im Jahr 2010 festgestellt werden. Im Vergleich dazu ereigneten sich in den Jahren 2011 bis 2015 immer zumindest 4 bis 15 Protonen-Events jährlich, von denen bis auf eine Ausnahme (Jahr 2011) wenigstens einmal pro Jahr auch die Schwelle zur Klasse S3 (Raumdurchflusstärke > 1000p/srcm²s) überboten werden konnte. Der Jahreshöchstwert 2016 lag übrigens nur bei 21p/srcm²s und wurde schon am 2. Januar 2016 um 04:50 UTC (05:50 MEZ) inmitten eines kurzen 3 Stunden 20 Minuten andauernden Protonen-Sturms erzielt.
Geomagnetische Aktivität:
Die geomagnetische Aktivität wird vom Erdboden aus mittels Magnetometer erhoben und anhand verschiedener Indizes quantifiziert. Besonders gut für statistische Auswertungen eignet sich dabei der sogenannte Ap-Index, ein weltweit erfasster Wert, der den Grad der geomagnetischen Störungen, bereinigt von Standort- und Tagesgangeffekten, recht gut wiedergibt. Im Jahr 2016 blieb der Ap-Wert erneut und insgesamt bereits das dreizehnte Jahr ohne Unterbrechung unter dem langjährigen Durchschnitt (1933-2008) von 14,4. Obwohl er dabei mit 10,5 nur etwa einem Wert entsprach wie er für das Jahr eines Sonnenfleckenminimums typisch ist (10,4 im langjährigen Durchschnitt), markierte er aber trotzdem den insgesamt zweitbesten Wert des aktuellen Fleckenzyklus, der jetzt immerhin schon acht Jahre im Gange ist. Erstaunlich !! Am geomagnetisch aktivsten zeigte sich im Jahr 2016 der Oktober mit einem Ap-Index von 15,3, gefolgt vom September mit 14,5. Die geringste geomagnetische Aktivität verzeichnete der Juni mit nur 8,4.
Betrachtet man tägliche Ap-Werte und weist sie entsprechend einer Definition des NOAA SWPC sogenannten „Geomagnetischen Aktivitätslevels“ zu, so ergibt sich folgende Häufigkeitsverteilung für das Jahr 2016 (in den Spalten rechts der Vorjahreswert sowie kursiv der langjährige Durchschnitt 1933-2008):
quiet / ruhig | 179 Tage | 2015: 155 | langjährig 140 |
unsettled / unbeständig | 110 Tage | 2015: 128 | langjährig 118 |
active / aktiv | 60 Tage | 2015: 55 | langjährig 70 |
minor storm / leichter Sturm | 15 Tage | 2015: 19 | langjährig 25 |
major storm / großer Sturm | 2 Tage | 2015: 7 | langjährig 10 |
severe storm / schwerer Sturm | 0 Tage | 2015: 1 | langjährig 2 |
Als der geomagnetisch aktivste Monat des Jahres 2016 zeigte sich in dieser Hinsicht der Oktober mit nur 10 „ruhigen“ Tagen, dazu kommen 7 „unbeständige“, 11 „aktive“ Tage und immerhin noch 2 Tage der Kategorie „leichter Sturm“ sowie 1 Tag der Kategorie „großer Sturm“ (25. Oktober 2016). 14 Tage, welche geomagnetisch die Kategorie aktiv oder mehr zu bieten haben, sind in den letzten Jahren gar nicht einmal so oft vorgekommen. Man muss jetzt schon bis zum Januar 2005 zurückblättern, um hier einen in dieser Hinsicht besseren Wert vorzufinden, damals waren es 21 Tage. Insgesamt fiel aber das Jahr 2016 geomagnetisch wieder unterdurchschnittlich aus. In keinem einzigen Monat wurde der langjährige Monatsmittelwert erreicht, in den meisten Fällen sogar deutlich verfehlt. Als geomagnetisch ruhigster Monat des Jahres erwies sich der Juni mit 17 „ruhigen“ Tagen und nur 3 Tagen, welche gerade einmal die Klasse „aktiv“ erreichten.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt man, wenn man geomagnetische Stürme entsprechend den NOAA Space Weather Scales auswertet. Angelegt an die Saffir-Simpson-Skala für Hurrikanes sind auch die NOAA Space Weather Scales (Strahlungs-, Protonen-, Geomagnetische Stürme) in jeweils 5 ansteigende Stufen mit zunehmender Gefährlichkeit unterteilt. Während im Normalfall G1-Stürme, die durchschnittlich an etwa 88 Tagen pro Jahr auftreten, und G2-Stürme mit immerhin 36 Tagen nicht gerade seltene Ereignisse darstellen, kann mit G3-Stürmen noch an gut 13 Tagen pro Jahr gerechnet werden, während hingegen Stürme der Kategorie G4 mit durchschnittlich 4,5 Fällen und G5-Stürme mit gerade mal 0,3 Fällen pro Jahr nur noch sporadisch in Erscheinung treten. Im Jahr 2016 gab es an 63 Tagen einen G1-Sturm (z.Vgl. 2015: 69) und an 18 Tagen einen G2-Sturm (2015: 26). G3– (2015: 8) und G4-Stürme (2015: 3) gab es im Jahr 2016 keine mehr. Der bislang letzte G5-Sturm ist überhaupt schon länger her und datiert vom 30. Oktober 2003.
Polarlichter:
Ein stark wachsendes mediales Interesse, die zunehmende Anzahl an Beobachtern, der rege Austausch über Internetforen und nicht zuletzt die Anwendung von lichtstarken, häufig auch automatischen Kameras führte in den letzten Jahren zu einer übermäßig rasch ansteigenden Zahl an Polarlichtbeobachtungen, die einen Vergleich mit früheren Jahren unmöglich macht. So konnte im deutschsprachigen Raum entsprechend dem umfangreichen und schön gestalteten Polarlichtarchiv von Andreas Möller im Jahr 2016 die rekordverdächtige Zahl von 42 Nächten (2015: 38) mit Polarlicht notiert werden. Die ebenfalls sehr gut geführte Polarlichtstatistik von Thomas Sävert spricht von zumindest 37 Nächten mit sichtbaren oder fotografisch nachweisbaren Polarlichtern. Die meisten dieser Ereignisse waren aber natürlich nur schwach ausgeprägt und konnten teilweise überhaupt nur fotografisch festgestellt werden. Im Alpenraum (Österreich und Schweiz) blieben zumindest mit dem Auge sichtbare Polarlichter im Jahr 2016 aus.
Andreas Pfoser, 11. Januar 2017
Quellen der Rohdaten:
NOAA, Space Weather Prediction Center
Deutsches GeoForschungsZentrum, Helmholtz-Zentrum, Potsdam
WDC SILSO, Royal Observatory of Belgium, Brussels