Space Weather Jahreszusammenfassung
Flares / Sonneneruptionen:
Flares (Sonneneruptionen) sind extreme Strahlungsausbrüche auf der Sonnenoberfläche, die meist als Folge magnetischer Kurzschlüsse im Bereich größerer magnetisch komplexer Sonnenfleckengruppen auftreten. Flares strahlen im gesamten elektromagnetischen Spektrum. Häufig werden sie nach zwei Kriterien klassifiziert, zum einen nach der Flächenausdehnung während ihrer maximalen Intensität in der Emissionslinie des neutralen atomaren Wasserstoffs (Klassen 1, 2, 3, 4 mit Helligkeitsunterklassen F, N, B), zum anderen nach der maximalen Strahlungsleistung der Röntgenstrahlung im Wellenlängenbereich 0,1-0,8nm, gemessen am Oberrand der Erdatmosphäre (Klassen B, C, M, X).
Wertet man nach Röntgenklassen aus, so kann man für das Jahr 2012 insgesamt 1471 Flares der Klasse C oder höher (Strahlungsleistung > 0,000001W/m²) eintragen (z.Vgl. 2011: 1318), der aktivste Monat war dabei der Juli mit 250 Flares, am schwächsten stand der Februar mit nur 30 Flares zu Buche. Flares ab der Klasse M (Strahlungsleistung > 0,00001W/m²) traten immerhin noch 136 mal auf (2011: 119), während X-Klasse-Flares (Strahlungsleistung > 0,0001W/m²) gerade 7 mal (2011: 8) registriert werden konnten. Der intensivste Flare des Jahres trat am 7. März 2012 um 00:24 UTC (01:24 MEZ) auf. Mit der Stufe X5.4 erreichte er nicht ganz den bislang höchsten Wert des aktuellen Sonnenfleckenzyklus (seit Dezember 2008), der mit X6.9 vom 9. August 2011 datiert.
Protonen-Events:
Als Protonen-Event bezeichnet man das Eintreffen einer signifikanten Menge hochenergetischer Protonen, die mit großer Geschwindigkeit von der Sonne abgegeben werden und in der Folge das Sonnensystem rasend schnell durchqueren. Als Verursacher für solche Ereignisse kommen zum einen intensive Sonneneruptionen in Frage, zum anderen dürfte eine erhebliche Anzahl starker Protonen-Events auf die beschleunigende Wirkung von Schockfronten expandierender CMEs (Koronaler Massenauswürfe) mit Schockstruktur zurückzuführen sein. Klassifiziert werden Protonen-Events nach ihrer Raumdurchflussstärke, die am Oberrand der Erdatmosphäre gemessen wird, wobei für die NOAA Sturmkategorien speziell Protonen mit Energiebeträgen über 10MeV in die Bewertung einfließen.
Im Jahr 2012 wurden nach dieser Definition insgesamt 15 Protonen-Events der Klasse S1 (Raumdurchflussstärke > 10p/srcm²s) aufgezeichnet (z.Vgl. 2011: 8), davon konnten immerhin 6 auch die Schwelle zur Klasse S2 (Raumdurchflussstärke > 100p/srcm²s) überbieten (2011: 0), 2 Protonen-Events erreichten sogar S3-Level (Raumdurchflusstärke > 1000p/srcm²s). Das Jahresmaximum mit 6530p/srcm²s wurde am 8. März 2012 um 11:15 UTC (12:15 MEZ) inmitten eines 5 Tage 15 Stunden 40 Minuten andauernden Protonen-Sturms (7.-12. März), dem bislang längsten des aktuellen Sonnenfleckenzyklus, erzielt. Damit handelt es sich dabei auch um den stärksten Protonen-Sturm seit dem 29. Oktober 2003 und um den zwölftstärksten insgesamt seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1976.
Geomagnetische Aktivität:
Die geomagnetische Aktivität wird vom Erdboden aus mittels Magnetometer erhoben und anhand verschiedener Indizes quantifiziert. Besonders gut für statistische Auswertungen eignet sich dabei der sogenannte Ap-Index, ein weltweit erfasster Wert, der den Grad der geomagnetischen Störungen, bereinigt von Standort- und Tagesgangeffekten, recht gut wiedergibt. Im Jahr 2012 lag der Ap-Index durchschnittlich bei 9,0, ein äußerst niedriger Wert, der, wenn auch bereits höher als im Vorjahr (2011: 7,5), trotz fortgeschrittenem Sonnenaktivitätszyklus noch immer weit unter dem langjährigen Durchschnitt von 14,4 (1933-2008) verläuft. Selbst während der letzten Sonnenfleckenminima lagen die Werte meist höher (langjähriger 12-Monats-Mittelwert um Sonnenfleckenminima 1933-2008: 10,4), lediglich das Sonnenfleckenminimum des aktuellen Zyklus zeichnete sich bereits durch einen außergewöhnlich geringen Wert von nur 4,9 aus.
Betrachtet man tägliche Ap-Werte und weist sie entsprechend einer Definition des NOAA SWPC sogenannten „Geomagnetischen Aktivitätslevels“ zu, so ergibt sich folgende Häufigkeitsverteilung für das Jahr 2012 (in den Spalten rechts der Vorjahreswert sowie kursiv der langjährige Durchschnitt 1933-2008):
quiet / ruhig | 221 Tage | 2011: 253 | langjährig 140 |
unsettled / unbeständig | 90 Tage | 2011: 73 | langjährig 118 |
active / aktiv | 39 Tage | 2011: 28 | langjährig 70 |
minor storm / leichter Sturm | 14 Tage | 2011: 11 | langjährig 25 |
major storm / großer Sturm | 2 Tage | 2011: 0 | langjährig 10 |
severe storm / schwerer Sturm | 0 Tage | 2011: 0 | langjährig 2 |
Als geomagnetisch aktivster Monat des Jahres 2012 zeigte sich der März mit nur 9 „ruhigen“ Tagen, 12 „unbeständigen“ und 6 „aktiven“ Tagen, während 3 Tage bereits der Kategorie „leichter Sturm“ und 1 Tag sogar der Klasse „großer Sturm“ (9. März 2012) zugeordnet werden konnten. Der geomagnetisch ruhigste Monat war hingegen der „Weltuntergangsmonat“ Dezember, an welchem gleich 27 Tage „ruhig“ ausfielen und selbst die restlichen 4 Tage über die Klasse „unbeständig“ nicht hinauskamen.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt man, wenn man geomagnetische Stürme entsprechend den NOAA Space Weather Scales auswertet. Angelegt an die Saffir-Simpson-Skala für Hurrikanes sind auch die NOAA Space Weather Scales (Strahlungs-, Protonen-, Geomagnetische Stürme) in jeweils 5 ansteigende Stufen mit zunehmender Gefährlichkeit unterteilt. Während G1-Stürme, die durchschnittlich an etwa 88 Tagen pro Jahr auftreten, und G2-Stürme mit immerhin 36 Tagen nicht gerade seltene Ereignisse darstellen, kann mit G3-Stürmen noch an gut 13 Tagen pro Jahr gerechnet werden, während hingegen Stürme der Kategorie G4 mit durchschnittlich 4,5 Fällen und G5-Stürme mit gerade mal 0,3 Fällen pro Jahr nur noch sporadisch in Erscheinung treten. Das Jahr 2012 fiel auch in dieser Statistik mager aus mit nur 52 Tage G1-Sturm (z.Vgl. 2011: 34), 21 Tage G2-Sturm (2011: 13), 6 Tage G3-Sturm (2011: 3) und lediglich 1 Tag G4-Sturm (2011: 1) am 9. März 2012. Der bislang letzte G5-Sturm datiert vom 30. Oktober 2003.
Polarlichter:
Ein stark wachsendes mediales Interesse, die zunehmende Anzahl an Beobachtern, der rege Austausch über Internetforen und nicht zuletzt die Anwendung von lichtstarken, häufig auch automatischen Kameras führt zu einer übermäßig rasch ansteigenden Zahl an Polarlichtbeobachtungen, die einen Vergleich mit früheren Jahren unmöglich macht. So konnte im deutschsprachigen Raum entsprechend der umfangreichen Polarlichtchronik von Stefan Krause sowie dem ansprechenden Polarlichtarchiv von Andreas Möller im Jahr 2012 an immerhin 21 Nächten Polarlicht entweder visuell, zumindest aber fotografisch nachgewiesen werden. Die ebenfalls sehr gut geführte Polarlichtstatistik von Thomas Sävert spricht von zumindest 13 Nächten mit sichtbaren Polarlichtern. Die meisten dieser Ereignisse fielen aber denkbar schwach aus und blieben auf die Nordhälfte Deutschlands beschränkt. So kann davon ausgegangen werden, dass sowohl in Österreich als auch der Schweiz im Jahr 2012 keine visuell sichtbaren Polarlichter aufgetreten sind und die bislang letzten Beobachtungen in diesen Regionen somit auf die Morgenstunden des 25. Oktober 2011 bzw. Abendstunden des 26. September 2011 datiert sind.
Andreas Pfoser, 11. Januar 2013
Quellen der Rohdaten:
NOAA SWPC
GFZ Potsdam