„Die Natur führt uns ein Feuerwerk vor, wie es sich die kühnste Phantasie nicht herrlicher zu denken vermag. Keine Farbe und kein Pinsel vermögen es zu malen, keine Worte vermögen es in seiner ganzen Großartigkeit zu schildern.“ Mit diesen Worten beschrieb der Polarforscher Carl Weyprecht (1838-1881) eine für ihn bis dato unbekannte atemberaubende Himmelserscheinung, die sich ihm während jener legendären österreichischen Forschungsexpedition, die in der Entdeckung des Franz-Joseph-Landes (Sommer 1873) gipfelte, darbot. Polarlichter sind in der Tat beeindruckende, tief bewegende Ereignisse, die im Detail völlig unberechenbar und dadurch geheimnisvoll, sogar ein wenig unheimlich erscheinen. So meint auch Martti Rikkonen, Naturfotograf aus Lappland: „Das Lodern des Nordlichts am dunklen Himmel ist etwas, an das man sich nie ganz gewöhnt. Es hört niemals auf, zu verwundern und zu erstaunen.“ Zahlreiche Sagen und Mythen ranken sich in den nordischen Ländern Europas, Nordamerikas und Asiens um die Erscheinung des Polarlichts. Die vielleicht reizvollste dieser Glaubensvorstellungen ist die „finnische Erzählung eines über die Schneefläche jagenden Feuerfuchses, der mit seinem Schwanz Schneeflocken zum Himmel aufwirbelt, die dann als Nordlichter sichtbar werden.“
In der Wissenschaft werden Polarlichter als „aurora borealis“ (die nördliche Morgenröte, das „Nordlicht“) bzw. „aurora australis“ (die südliche Morgenröte, das „Südlicht“) bezeichnet. Der Begriff „aurora“ geht dabei auf den italienischen Mathematiker und Astronom Galileo Galilei (1564-1642) zurück, der das Nordlicht nach einer eigenen Beobachtung mit einem spektakulären Sonnenaufgang verglich. Dies erscheint zunächst einmal etwas ungewöhnlich, zumindest wenn man sich die typischen gelbgrünen Polarlicht-Bänder und Vorhänge vor Augen hält, die ja nur wenig mit einem Morgenrot gemein haben. Beachtet man aber, dass das Nordlicht in den niedrigen und mittleren Breiten ganz anders aussieht und sich hier meist nur als strukturschwache ausgedehnte rötliche Fläche am Himmel bemerkbar macht, so wird der Zusammenhang mit der klassischen „aurora“, der Morgenröte, nachvollziehbar.
WO TRETEN POLARLICHTER AUF ?
Polarlichter finden meist fernab der Zivilisation statt. Zum einen verläuft schon die Nordlichtzone, eine ringförmige Region maximaler Polarlichthäufigkeit auf der Nordhalbkugel, nur über relativ dünn besiedeltem Gebiet. Das Südlicht, das die meiste Zeit lediglich über Teilen der Antarktis und den ausgedehnten einsamen Südmeeren aufleuchtet, bleibt sogar nahezu gänzlich unbemerkt. Und zum anderen werden selbst während starker geomagnetischer Stürme, bei welchen Polarlichter vorübergehend auch über mittleren Breiten erscheinen, diese aufgrund der fortgeschrittenen Lichtverschmutzung und naturfernen Lebensweise ihrer Bewohner kaum registriert. So ist es vermutlich nur etwas mehr als 1% der Erdbevölkerung vorbehalten, jemals Polarlichter zu sehen.
Die beste Chance bietet sich jedenfalls in der Nordlichtzone. Diese umfasst in etwa Island, Nord-Norwegen, die nördlichsten Teile Schwedens und Finnlands, die Südhälfte Svalbards, Nowaja Semlja, die nördlichsten Teile Sibiriens, Nord-Alaska, weite Teile Nord- und Mittel-Kanadas sowie Süd-Grönland. Hier treten Nordlichter praktisch jede Nacht auf und können bei klarem Wetter und ausreichend dunklem Himmel meist auch gesehen werden. Abseits dieser Regionen geht die Zahl an Polarlichtern aber merklich zurück. So dürfen zum Beispiel bereits in Süd-Skandinavien und Süd-/Mittel-Finnland wie auch in Schottland und im Norden Irlands nur noch etwa 15 bis 50 Polarlichtnächte pro Jahr erwartet werden. Von England über Nord-Deutschland bis zum Baltikum reduziert sich die Anzahl weiter auf lediglich noch 5 bis 12 Erscheinungen jährlich während im Alpenraum im Normalfall gar nur noch maximal 1-2 Sichtungen pro Jahr möglich sind. Etwa einmal in 10 Jahren dringt das Nordlicht bis nach Nord-Afrika vor und einmal in 100 Jahren bis nahe des Äquators. Aber nicht nur Richtung Süden sondern auch polwärts der Nordlichtzone ist – vielleicht überraschend – eine Abnahme der Polarlichthäufigkeit feststellbar. Diese fällt dann aber weniger stark aus als an deren äquatorwärtigen Seite.
Betrachtet man die nördliche Polarlichtzone etwas genauer, so fällt auf, dass sie in ihrem Verlauf nicht überall die gleichen geografischen Breiten überstreicht. Im Osten Kanadas, im Bereich der Hudson Bay, greift sie am weitesten südwärts aus und liegt dort etwa zwischen 57° geografischer Breite und dem Polarkreis. Im Gegensatz dazu muss man sich im Bereich der Neusibirischen Inseln im fernen Osten Russlands bis auf etwa 71° bis 80° geografisch Nord begeben, um in die Nordlichtzone zu gelangen. Ähnlich verhält es sich auch mit der Südlichtzone im antarktischen Raum. Während sich diese südlich von West-Australien am weitesten vom Südpol entfernt und den südlichen Indischen Ozean bei etwa 51° bis 60° geografischer Breite überzieht, muss man südlich der Antarktischen Halbinsel bis in einen Bereich zwischen knapp 80° geografischer Breite und nahe dem Südpol vordringen, um in die Südlichtzone zu gelangen. Weltweit gemittelt befinden sich die beiden Polarlichtzonen bei etwa 65° bis 75° geografischer Breite. Als Grund für diese Unregelmäßigkeiten ist anzuführen, dass für die Lage des Polarlichts weniger die geografische sondern vielmehr die geomagnetische Breite maßgeblich ist, die sich unter anderem an den so genannten geomagnetischen Polen (mehr dazu …) orientiert.
WANN TRETEN POLARLICHTER AUF ?
Das Auftreten der Polarlichter unterliegt sowohl einem markanten Tages- als auch einem ausgeprägten Jahresgang und selbst von Jahr zu Jahr können auffällige Unterschiede festgestellt werden.
Innerhalb eines Tages besteht die größte Wahrscheinlichkeit für Polarlichter in den Stunden um die sogenannte magnetische Mitternacht, zumindest wenn man sich in den mittleren oder hohen geomagnetischen Breiten bis hinauf auf etwa 70° Nord oder Süd aufhält. Die magnetische Mitternacht tritt dann ein, wenn sich die Sonne, der auf der Nachtseite befindliche Beobachter und der zugehörige Pol des Erdmagnetfeldes (Nord- oder Südpol) in einer Linie befinden. Begründet ist dieses mitternächtliche Maximum in der Asymmetrie der Polarlichtovale, der beiden ausgedehnten Lichtringe innerhalb der Polarlichtzonen, welche an der Nachtseite der Erde einen stets größeren Abstand zu den geomagnetischen Polen einnehmen als an deren Tagseite. Konsequenterweise wird dann in polnahen Regionen ab etwa 75° geomagnetischer Breite das Polarlicht um die Mittagszeit häufiger auftreten als zu Mitternacht. Kein wesentlicher Zusammenhang zur Tageszeit ist hingegen in den niedrigen Breiten gegeben. Hier wird das Erscheinen der in diesen Regionen ja nur selten vorkommenden Nord- und Südlichter durch vorübergehende solare Extremereignisse bestimmt, welche keinen Bezug zu den irdischen Tageszeiten aufweisen.
Im Verlauf eines Jahres stechen besonders die Monate März und April sowie September und Oktober als relativ günstige Monate bzw. Dezember, Januar, Juni und Juli als die Monate mit den ungünstigsten Bedingungen für Polarlichter hervor. So liegt zum Beispiel der Grad der geomagnetischen Aktivität, ein Maß, welches recht gut mit dem Auftreten von Polarlichtern korreliert, im langjährigen Mittel in den Monaten März/April um gut 43% und im September/Oktober um knapp 38% höher als in den Hochwintermonaten Dezember/Januar. Die recht markante Ausprägung dieses Jahresganges konnte noch nicht umfassend geklärt werden. Einen Beitrag dazu könnte zum Beispiel die Neigung des Sonnenäquators gegen die Ekliptik liefern, die dazu führt, dass speziell Anfang März und Anfang September der Sonnenwind von geringfügig höheren Sonnenbreiten und damit etwas schneller in Richtung Erde abströmt. Desweiteren dürfte sich auch die zu dieser Zeit recht günstige Geometrie des Erdmagnetfeldes auswirken, welches gerade im April und Oktober die durchschnittlich kleinsten Winkeln zwischen Erd- und interplanetarem Magnetfeld erlaubt und damit eine besonders effiziente Wechselwirkung entgegengerichteter Felder ermöglicht.
Die Variabilität von Jahr zu Jahr ist ebenfalls beträchtlich und kann mit dem Sonnenfleckenzyklus in Verbindung gebracht werden, wenn auch vielleicht nicht ganz so, wie vielfach erwartet wird. Denn nicht das Jahr des Sonnenfleckenmaximums bietet statistisch gesehen, wie langjährige Untersuchungen über die vergangenen 80 Jahre zeigen, die besten Bedingungen für Polarlichter sondern interessanterweise erst das dritte, vierte und fünfte Jahr nach dem (ersten) Sonnenfleckenmaximum. In diesen Jahren liegt der Grad der geomagnetischen Aktivität etwa 15% bis 19% höher als im Mittel, während im Jahr des Fleckenmaximums der Vergleichswert nur bei gut 8% liegt. Da das Auftreten von Polarlichtern eng mit der Sonnenaktivität verknüpft ist, erscheint diese Entwicklung auf ersten Blick nicht ganz logisch. Hält man sich aber vor Augen, dass die speziell für ausgedehnte Polarlichter so bedeutenden solaren Aktivitätsereignisse wie Koronale Massenauswürfe und Koronale Löcher (mehr dazu …) erst einige Jahre nach dem jeweiligen Fleckenmaximum vermehrt eine für die Erde günstige äquatornahe Position einnehmen, so wird dieser Verlauf einleuchtend. Die ungünstigsten Bedingungen findet man jedenfalls im Jahr des Sonnenfleckenminimums sowie dem Jahr danach vor. Hier liegt der Grad der geomagnetischen Aktivität durchschnittlich 28% bis 31% unter dem Mittelwert.
WIE ENTSTEHEN POLARLICHTER ?
Erstmals hat der norwegische Physiker und Geophysiker Kristian Olaf Birkeland (1867-1917) in einer zur damaligen Zeit bahnbrechenden Theorie einen Zusammenhang zwischen Sonnenwind, Erdmagnetfeld und Erdatmosphäre hergestellt, um damit das Polarlicht zu erklären. Grundzüge seiner Theorie gelten heute noch, wenn auch die detaillierte Beschreibung dieser wunderbaren Lichterscheinung überaus kompliziert und in allen Einzelheiten noch nicht geklärt ist. Beim Sonnenwind handelt es sich jedenfalls um einen kontinuierlichen quasineutralen Plasmastrom aus freien Elektronen, Protonen, Heliumkernen und einer eher geringen Menge schwererer Atomkerne, der von der Sonnenkorona (äußere Sonnenatmosphäre) permanent in alle Richtungen abgegeben wird. Die Geschwindigkeit dieser Strömung ist enorm, im Mittel beträgt sie in Erdbahnnähe etwa 1,62 Mio. km/h, kann aber in Phasen hoher Sonnenaktivität 3 Mio. km/h, in seltenen Fällen vorübergehend sogar 7 Mio. km/h übersteigen. Auch der Teilchenfluss ist gewaltig und in seiner Dimension kaum vorstellbar. Selbst in 150 Mio. km Entfernung von der Sonne (Position der Erde) wird eine Fläche von 1cm² jede Sekunde von immer noch 25 Mio. bis 1,8 Mia. Partikeln, in Extremfällen auch noch deutlich mehr, getroffen. Der Sonnenwind ist phasenweise von lebensfeindlicher hochenergetischer Teilchenstrahlung durchsetzt und hätte wohl kaum die Entstehung von Leben auf unserem Planeten ermöglicht, wenn nicht zwei Schutzschilder das Vordringen der Teilchen bis zur Erdoberfläche abblocken würden, einerseits das starke Erdmagnetfeld und andererseits die dichte Erdatmosphäre.
Das Magnetfeld der Erde ist in erster Näherung ein globales Dipolfeld, vergleichbar mit dem eines Stabmagneten. Hervorgerufen wird es durch Konvektionsströmungen im äußeren Erdkern, welcher aufgrund der mächtigen Gezeitenkräfte eines nahen und massereichen Mondes in einer flüssigkeitsartigen Eigenschaft bewahrt wird. Die Wirkung des Magnetfeldes kann man sich anschaulich wie einen mächtigen Deflektor vorstellen, der unseren Planeten umgibt und den Sonnenwind abweist. Sonnenzugewandt reichen dabei die Magnetfeldlinien aufgrund des gewaltigen Strömungsdrucks des Sonnenwindes nur etwa 60.000km in den interplanetaren Raum hinaus, während starkem Sonnensturms kann die Magnetosphäre sogar auf weniger als 36.000km zusammengedrückt werden. An der Nachtseite der Erde werden die Feldlinien hingegen vom vorbeistreifenden Teilchenstrom deutlich mehr als 1 Mio. km in das Weltall hinausgezogen und nehmen die Form eines langgestreckten Schweifes ein. Das „Schutzschild“ Magnetosphäre ist wirkungsvoll, perfekt ist es jedoch nicht. Tatsächlich gibt es drei sogenannte „neutrale Zonen“, an denen die magnetische Flussdichte auf einen sehr kleinen Wert zurückgeht, wodurch Partikel des Sonnenwindes hier doch eindringen können. Zwei Zonen befinden sich auf der Tagseite in der Nähe der beiden geomagnetischen Pole, wo sich Feldlinien, welche die Pole an der sonnenzugewandten Seite verbinden, von jenen trennen, welche zwar an der sonnenzugewandten Seite entspringen, aber vom Sonnenwind in die Nachtseite gezerrt werden. Die dritte neutrale Zone befindet sich sonnenabgewandt im Zentrum des langgestreckten Schweifs der Magnetosphäre, wo Feldlinien parallel zueinander in entgegengesetzter Richtung verlaufen. Unter besonderen Umständen können einige Teilchen aber auch abseits der neutralen Zonen von der Seite in das Innere der Magnetosphäre diffundieren.
Protonen, die über die polnahen neutralen Zonen eindringen, erzeugen die schmalen, meist nur lichtschwachen tagseitigen Abschnitte der beiden Polarlichtovale. Die Lichterzeugung erfolgt dabei über einen Prozess, der als Lumineszenz, oder spezieller, als Phosphoreszenz bezeichnet wird. Bei diesem bemerkenswerten Vorgang werden Teilchen der Erdatmosphäre von den eindringenden Protonen getroffen und durch die Zusammenstöße vorübergehend in höhere Energiezustände versetzt („angeregt“). Da diese Situation allerdings instabil ist, erfolgt nach einem gewissen Zeitraum ein Übergang auf ein niedrigeres Energieniveau oder wieder auf den stabilen Grundzustand. Dabei wird elektromagnetische Strahlung ausgesendet mit einer Wellenlänge, die charakteristisch ist sowohl für das Element und dessen Ladungszustand als auch für dessen Anregungsstufe. Setzt man sich mit dem Energiespektrum solarer Protonen auseinander, so wird man mit einer recht großen Vielfalt konfrontiert. Die energiereichsten Exemplare, die man vor allem nach solaren Extremereignissen in bedeutender Menge beobachten kann, erreichen Werte von durchaus mehreren MeV bis sogar zu einigen hundert MeV. Diese dringen tief in die Atmosphäre ein, erzeugen aber keine Polarlichter. Im Gegensatz dazu verfügen die polarlichterzeugenden Partikel nur über Energiebeträge von typischerweise etwa 0,1keV bis 1keV. Damit ist wiederum nur ein Vordringen in die obersten Atmosphärenschichten möglich und es erfolgt hauptsächlich eine Anregung des hochliegenden neutralen atomaren Wasserstoffs, dessen Rückfall vom zweiten in den ersten angeregten Zustand ein schwaches rotes Polarlicht erzeugt.
An der Nachtseite ist die Entstehung des Polarlichts ebenfalls auf Phosphoreszenz zurückzuführen, wobei jedoch die polarlichterzeugenden Partikel, hier sind es überwiegend Elektronen, mit deutlich mehr Energie und damit tiefer in unsere Lufthülle eindringen. Diese Energie wird aber nicht aus dem Sonnenwind lukriert sondern durch gewaltige magnetische und elektrische Kräfte, die im sonnenabgewandten Schweif der Magnetosphäre wirken, zur Verfügung gestellt. Dabei werden Elektronen, die ursprünglich über die nachtseitige neutrale Zone eingesickert sind, auf Energiewerte bis zu 200keV beschleunigt und rasen, damit ausgestattet, entlang von Magnetfeldlinien bis zur Ionosphäre. Diese erreichen sie aufgrund der Feldlinienkonfiguration meist nur in einem Bereich zwischen etwa 65° und knapp über 70° geomagnetischer Breite. Erhöht sich allerdings in Phasen hoher Sonnenaktivität die Elektronendichte und/oder intensivieren sich aufgrund günstiger Sonnenwindparameter die gigantischen Stromsysteme in der Magnetosphäre, so verbreitert sich das Polarlichtoval und verlagert sich dann vorübergehend auch in Richtung niedrigere Breiten. Günstige Sonnenwindparameter sind eine hohe Geschwindigkeit, hohe Teilchendichte und hohe magnetische Flussdichte. Darüberhinaus ist die Ausrichtung des interplanetaren Magnetfeldes von besonderer Bedeutung. In seiner Vertikalen sollte es auf jeden Fall südwärts, also dem Erdmagnetfeld entgegen gerichtet sein. In seiner Horizontalen wirkt sich eine zur Sonne hin orientierte Komponente für das Nordlicht und eine von der Sonne weg gerichtete Komponente für das Südlicht oftmals günstiger aus.
EIGENSCHAFTEN DER POLARLICHTER
Farben. Die Farben der Polarlichter sind geprägt von den atmosphärischen Bestandteilen, welche die Leuchterscheinung auslösen. Hauptbestandteil der hohen Atmosphäre ist neutraler atomarer Sauerstoff. Er produziert die zwei dominierenden Farben der Aurora, einerseits gelbgrünes Licht mit einer Wellenlänge von 557,7nm beim Rückfall vom zweiten in den ersten angeregten Zustand und andererseits rotes Licht mit einer Wellenlänge von 630,0nm beim Rückfall vom ersten angeregten Zustand in den Grundzustand. Da letztgenannter Prozess mit knapp zwei Minuten eine relativ lange Zeit benötigt, in der das Sauerstoffteilchen keine Störung z.B. durch den Zusammenstoß mit einem anderen Teilchen erleiden darf, entsteht rotes Polarlicht auf diese Weise erst in ausreichend dünner Luft in einer Höhe von etwa 200-320km. Gelbgrünes Polarlicht, für dessen Entstehung nur etwa eine Sekunde erforderlich ist, leuchtet hingegen in 120-140km am intensivsten. Weitere Polarlichtfarben sind orange und magenta, die manchmal den Unterrand der Aurora in 70-90km Höhe färben. Orange kommt dabei durch eine additive Farbmischung von Stickstoffmolekülen mit Sauerstoffmolekülionen zustande, eine magenta Unterkante rührt von einer additiven Farbmischung mit neutralen und geladenen Stickstoffmolekülen her. In größerer Höhe wird fallweise violettes und blauviolettes Polarlicht mit Wellenlängen von 391,4nm bzw. 427,8nm festgestellt. Es ist auf geladenen molekularen Stickstoff zurückzuführen. Und auch gelbes Nordlicht ist möglich, wenn sich hintereinander befindliche Polarlichtstrukturen additiv überlagern. Bei all dieser Farbenpracht ist aber doch kritisch anzumerken, dass aufgrund der angeborenen Schwäche des menschlichen Auges, während der Nacht Farben zu erkennen, Polarlichter uns oft nur als unauffällige weiße Wolkenschleier mit einem fahlen gelbgrünen Touch erscheinen. Erst wenn die Lichter heller werden, treten die Farben deutlicher zutage und es können zuweilen eindeutig grüne, violette oder auch rote Farbtöne ausgemacht werden. Die gesamte Farbenpracht des Polarlichts offenbart sich aber stets nur den Sensoren von Digitalkameras.
Helligkeit. Geht man davon aus, dass an einem durchschnittlichen Auroraereignis ungefähr 2 Mia. Partikel pro Quadratzentimeter und Sekunde beteiligt sind mit einer Anregungsenergie von typischerweise etwa 3keV, so folgt daraus eine Gesamtstrahlungsleistung von etwa 0,01W/m². Das ist, gelinde gesagt, nicht allzu viel und ermöglicht nur bei ausreichend dunklem und gut durchsichtigem Himmel eine ansprechende Polarlichtsichtbarkeit. Neben den von der Natur vorgegebenen Bedingungen einer ausreichend tief unter dem Horizont befindlichen Sonne sowie nicht zu hellem Mondlicht ist es unerlässlich, von künstlicher Lichtverschmutzung Abstand zu nehmen, um Polarlichter überhaupt wahrzunehmen. Genauso sollte die atmosphärische Durchsicht eine gute Qualität erreichen, also die Luft sauber, gering bewölkt und von niedriger Luftfeuchtigkeit sein. Begibt man sich aber bei klarem Wetter an einen dunklen Standort, so wird man überwältigt sein, welch beeindruckende Leuchtkraft eine an sich gar nicht so intensive Erscheinung entfaltet, wenn sie sich über die große Himmelsfläche ausbreitet und damit ein großartiges Schauspiel abliefert. Die Helligkeit von Polarlichtern wird in 4 Klassen nach dem sogenannten „International Brightness Coefficient“ IBC eingestuft: IBC I: so hell wie die Milchstraße, IBC II: so hell wie vom Mond beschienene Federwolken, IBC III: so hell wie vom Mond beleuchtete Haufenwolken, IBC IV: die Aurora beleuchtet die Landschaft etwa so hell wie der Vollmond.
Formen. Polarlichter zeigen sich in so vielfältigen Formen, dass jeder glückliche Beobachter sicher sein kann, einem einmaligen Ereignis beizuwohnen, das sich im Detail zu keinem anderen Zeitpunkt mit gleichem Ablauf wiederholen wird. Befindet man sich zum Beispiel im Norden Lapplands oder in Island, so wird man bei geomagnetisch ruhigen Verhältnissen Richtung Norden den ruhigen Polarlichtbogen (A … arc) erkennen, meist sanft leuchtend gelbgrün. Bei größerer Aktivität entwickeln sich Bänder (B … bands) in Form von Schleifen, Spiralen oder Wellen. Besonders beeindruckend sind jedoch die gewaltigen Vorhänge (D … draperies), die am Nachthimmel zu hängen scheinen und in einem lautlosen Wind flattern. Manchmal zieren Schleier (S … surface) oder Strahlen (R … rays) das Firmament, die vorübergehend so hell werden können, dass selbst auffällige Sterne verblassen. Die Krönung eines Aurorasturms ist jedoch die Korona (C … corona), ein prächtiges aktives Polarlicht senkrecht über dem Beobachter, welches einen unvergessenen Einblick in das Innere dieser Erscheinung gewährt. Bewegungen und Helligkeitsänderungen erfolgen zuweilen in exorbitant hohem Tempo. So kann, wenn sich die Zone der Partikelanregung plötzlich rasch verlagert, die „scheinbare“ Geschwindigkeit von Polarlichtstrukturen Werte bis zu 100km/s erreichen. Bei günstigen Bedingungen sind Polarlichter während der ganzen Nacht zu sehen, wobei nicht selten verschiedene Formen gleichzeitig weite Bereiche des Himmels bedecken. Nach Mitternacht zeigen sich auch die strukturlosen Flecken (G … glow oder P … pulsating glow) häufiger, sie markieren oft das Ende eines aktiven Aurorasturms.
POLARLICHTER IN ÖSTERREICH
Nordlichter treten in Österreich gar nicht so selten auf, wie vielleicht vermutet wird. Aus Untersuchungen über längere Zeiträume hinweg kann geschlossen werden, dass pro Jahr durchschnittlich 3-4 Polarlichtereignisse bei uns möglich sind, von denen zumindest eines auch eine auffällige Helligkeit entfaltet. Diese Polarlichtnächte sind aber über die Jahre nicht gleichmäßig verteilt, sondern folgen in gewissem Maße dem Verlauf der Sonnenaktivität. So gab es zum Beispiel im unmittelbar zurückliegenden, ausgesprochen schwachen Sonnenfleckenzyklus SSC24 in einem Zeitraum von 11 Jahren insgesamt nur 6 Nächte mit Nordlichtern in Österreich, von denen zudem keine einzige mit einer visuell auffälligen Aurora in Erscheinung getreten ist.
Allerdings können Nordlichter über mittleren Breiten sowieso nicht ganz mit ihren weiter nördlich auftretenden Pendants verglichen werden. Denn hierzulande leuchten sie meist nur diffus und zeigen lediglich in Ansätzen auch diskretere Strukturen. Dies liegt jedenfalls darin begründet, dass die polarlichterzeugenden Partikel hier nicht mehr vorrangig aus dem Magnetosphärenschweif über die Plasmaschicht in die Atmosphäre geschleudert werden. Vielmehr werden sie zu einem nicht unerheblichen Ausmaß mit dem Ringstrom, welcher während Geomagnetischer Stürme näher an die Erdoberfläche heranrückt, aus der Plasmasphäre in die hohe Atmosphäre gestreut. Dabei werden zwar beachtliche Teilchendichten erzielt, diese sind aber mit geringeren Energiemengen ausgestattet, wodurch das Polarlicht über Österreich meist nur hochliegend und daher überwiegend rötlich gefärbt erscheint.
Andreas Pfoser, 12. Januar 2022
Weitere noch viel ausführlichere Informationen zum Thema „Polarlichter“
sowie zahlreiche Bilder vom Polarlichtfotografen Tom Eklund sind hier zu finden: